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I Saw It

Beim Eintreten sieht man sich sogleich einer ganzen Schar hüpfender, springender  Mädchen gegenüber. Wir sind konfrontiert mit realistisch bedruckten Pappaufstellern, die teils von der Decke hängen, teils auf dem Boden stehen. Die Verbindung des Realismus eines Fotos mit der konkreten Begrenzung der ausgeschnittenen Silhouette der Figuren erzeugt einen eigentümlichen, gleichsam „springenden“  Bezug vom Bild  zur Wirklichkeit.

Die Figuren wurden herausgelöst aus ihrem Hintergrund, abstrahiert von dem sie umgebenden Bildraum, versetzt in den  aktuellen Ausstellungsraum. Eine Lösung der Figur-/Grundproblematik  in der Malerei? Die Erfahrungen mit den Pappkameradinnen weisen weit darüber hinaus. Die Figuren haben von vorne gesehen einen starken Realismus, von hinten sieht man die weiße Pappe, wirkt die farbige Bildwelt wie ausgeblendet. Sie sind extrem flach und zugleich in Vorder- und Rückseite sehr verschieden.

Es sind Attrappen, wie Kulissen eines Bühnenbildes schieben sie sich in den Raum und stellen dabei nicht einen Raum dar, in dem Figuren agieren, sondern die Figuren selber. Insofern ist hier der Bühnen-Raum „realer“ als die Darsteller, obschon dieser Raum größtenteils eher den Charakter einer Bühne/Kulisse besitzt, mit seinen vorgesetzten, hohlen Wänden.

Die Betrachter bewegen sich als lebende Figuren zwischen den lebensgroßen Pappfiguren hindurch - werden Darsteller zwischen Darstellern.

Die Haltungen der Figuren markieren Momente, die aus dem Bewegungsablauf von Sprüngen heraus festgehalten sind. Der kurze Ablauf von Sprüngen, die in einem zeitlichen Nacheinander stattgefunden haben, jetzt gleichzeitig zu sehen. Das Momenthafte des Augenblicks ist hier betont, der Augenblick in seiner Fixierung als deutlich vergangen zu empfinden.

Der Besucher kommt zu spät, er wir auf den zeitlichen Versatz zwischen dem Betrachten und der Wahrnehmung der dargestellten Sprünge auch durch die monumental-plakative Wandbeschriftung I SAW IT hingewiesen. Schwingt da ein bißchen Häme mit, oder betont der Hinweis eher das Dokumentarische?

Bei all dem ist die Grundstimmung heiter, macht das Spaß, sehen wir uns inmitten einer ausgelassenen Bande von Mädchen, die in übermütigen Sprüngen teils komische Verrenkungen vollführen. Sie begleiten einen in Spaniers Arbeiten immer wieder, erscheinen einem fast vertraut wie Stars, die man zu kennen meint. Von seinen Lieblingsstars kauft man sich ja auch einen Pappaufsteller oder einen Starschnitt...

Jens Schön zur Ausstellung im Kasseler Kunstverein, Kassel 2003