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Kunst kommt vom Tun. Jedes Konzept, das letztlich zu einer Form führt, ist eine Handlung - und sei sie nur gedacht. Unter dieser Perspektive liegt es auf der Hand, wenn Wolfgang Spanier das Handeln in den Mittelpunkt seiner Kunst stellt. Regieanweisungen, Appelle und Fragen, in klarer Typografie und englischer Sprache vor den Hintergrund jugendlicher Gruppen gestellt, erzeugen eine ganze Welt an Möglichkeiten, Kunst und Leben anders anzugehen.

Bei aller Allgemeingültigkeit, mit welcher die Flyer, Plakate, Postkarten und digitalen Bilder Wolfgang Spaniers und die damit verbundenen Aktionen daherkommen, prägt sein sehr individueller und hintergründiger Diskurs deren Ansatz.

Es geht allerdings weder um eine Art künstlerischer Lebenshilfe noch um den Kunstkontext allein, sondern um einen Brückenschlag zwischen beidem. Etwas Ungewöhnliches tun, eine neue Betrachtung anstellen, über etwas Alltägliches nachdenken: möglicherweise wird die Umgebung nicht einmal wahrnehmen, daß da jemand mit einer künstlerischen Aktion befasst ist. Als "das Einfache, das schwer zu machen ist", hat Bertolt Brecht diesen Spagat bezeichnet.

Letzten Endes überläßt Spanier vieles dem - bekanntlicherweise sehr vielfältigen - Betrachter, nimmt ihn in Anspruch und macht diese Inanspruchnahme auch klar. Die klassische Aufgabe bleibt erhalten, solange die Bilder ihre Wirkung haben: der Betrachter muß die Kunst vollenden. Und auch wenn dieser sich entschließt, nichts zu tun, hat er auch gehandelt, eine Entscheidung getroffen, welche die Möglichkeiten der Kunst zumindest in Betracht genommen hat.

 

Johannes Stahl, Bonn 2002